
Am 24. Juli 2018, wenige Wochen nach Erscheinen der letzten Ausgabe von alba.lateinamerika lesen, hatten wir die Gelegenheit, Laura Haber* für ein Gespräch zu gewinnen. Sie ist eine der Redakteurinnen des Kollektivs, das die 11. Ausgabe zu einem glücklichen Abschluss geführt hat.
Die Zeitschrift alba hat es geschafft, sich in Berlins unübersichtlicher zeitgenössischer Literaturlandschaft zu positionieren und ist dabei zu einem wichtigen Bezugspunkt für die Verbreitung lateinamerikanischer Schriftsteller und Dichter geworden, deren Texte jeweils in zwei Sprachen –Spanisch/Portugiesisch und Deutsch – veröffentlicht werden.
In die nun vorliegende 11. Ausgabe wurden auch Englisch und Zapotekisch als Teil des lateinamerikanischen Sprachenspektrums mit aufgenommen. Eine weitere wichtige Komponente der Zeitschrift liegt in der Mitwirkung von Künstlern, die mit ihren Zeichnungen die literarischen Texte illustrieren.
Überlassen wir es nun Laura, uns zu erzählen, wie die Zeitschrift überhaupt entstanden ist.

Hispanovisión: Wie lautet denn der genaue Name der Zeitschrift? Wir haben unterschiedliche Bezeichnungen gehört und wollen daher sichergehen.
Laura Haber: Der vollständige Name unserer Zeitschrift lautet alba.lateinamerika lesen, obwohl wir ihn im Gespräch sicherlich meistens abkürzen und einfach alba sagen. Vielleicht sollten wir uns mehr bemühen, eine Verwechslung mit dem Basketball-Team Alba Berlin und der Recycling-Firma ALBA GmbH zu vermeiden, die auch in Berlin ansässig sind. Aber auf dem Cover der verschiedenen Ausgaben von alba.lateinamerika lesen steht jeweils der vollständige Name zusammen mit der jeweiligen Nummer der Ausgabe.
H: Erzählen Sie uns etwas über die Geschichte der Zeitschrift. Wann wurde sie gegründet, wer hat sie gegründet und wo? Wie hat sich die Auflage entwickelt?
L.H.: Das war in Berlin im Jahr 2011: Eine Gruppe von Freunden, Studierenden und Promovierenden aus dem Literaturbereich hatte die Idee, eine Zeitschrift zu gründen, um die Literatur zu veröffentlichen, die sie begeisterte, und sie durch die Übersetzung ins Deutsche auch einem Publikum jenseits der spanischsprachigen Leserschaft zugänglich zu machen. Die erste Ausgabe von alba.lateinamerika lesen wurde mithilfe unserer Schwesterzeitschrift alba Paris veröffentlicht: Guillermo Bravo hatte von dort Timo Berger kontaktiert, um ein alba-Magazin in Berlin zu gründen. Es gibt auch eine alba in London, in Peking und eine in Russland. Leider stehen wir nur mit den Redaktionen in London und Paris in Verbindung, aber das Projekt alba existiert in vielen Ecken der Welt. Von daher auch der Name: ein Sonnenaufgang, ein Licht am Horizont, für das die Literatur stehen kann, ein bisschen Farbe, Poesie und Magie inmitten unseres manchmal eher grauen und langweiligen Alltags. Die Berliner alba hat mit einer Auflage von 300 Exemplaren begonnen und wurde über befreundete spanischsprachige Buchhandlungen vertrieben, über unsere Internetseite und über Bestellungen per Mail.
H.: Gibt es unter den mittlerweile zahlreichen Projektmitwirkenden einige, die eine besondere Erwähnung verdienen?
L.H.: Ich glaube, dass alle, die eine Weile dabei waren, auf irgendeine Weise ihre Spuren hinterlassen und ihren Beitrag geleistet haben, manche mehr, manche weniger. Das Projekt ist komplett ehrenamtlich, das heißt, es ist nicht immer einfach, sich Zeit dafür zu verschaffen. Denn natürlich muss man auch arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Manche der Mitglieder haben außerdem Familie und Kinder. Deshalb hat es schon immer viele Wechsel in der Redaktion gegeben und ich habe nicht alle Mitglieder persönlich kennengelernt. Aber vielleicht würde ich an dieser Stelle gerne María Ignacia Schulz nennen, die als einziges Gründungsmitglied noch dabei ist, und das, obwohl sie nicht in Berlin, sondern in Bamberg wohnt und nicht immer zu den Treffen anreisen kann. Dann ist da zum Beispiel Jorge L. Locane, ein weiterer Mitgründer, der zwar nicht mehr Teil der Redaktion ist, alba aber weiterhin als Essayautor unterstützt und uns häufig mit einem Zeitschriftentisch zu Veranstaltungen einlädt, die er moderiert oder organisiert. Ich möchte auch Timo Berger und Rike Bolte erwähnen, Kuratoren des lateinamerikanischen Poesiefestivals Latinale, die am Anfang mit dabei waren und das Projekt immer noch mit Vorschlägen, Übersetzungen und Kontakten unterstützen. Ich könnte so weitermachen und all die Personen nennen, die die vielfältigen Aufgaben übernehmen, zum Beispiel die Heftgestaltung, die Abonnentenbetreuung, die Kommunikation auf Facebook – wo sich eine ziemlich große Gemeinschaft von Autoren, Übersetzern und Interessenten gebildet hat –, die Organisation von Lesungen, den Vertrieb natürlich und vieles mehr, was man nicht sieht, wenn man ein Exemplar der alba in Händen hält. Ohne die wertvolle Mitarbeit all dieser Menschen würde die Zeitschrift nicht existieren.
H.: Wie viele und welche Mitglieder hat die Redaktion aktuell?
L.H.: Im Moment sind wir fünf Personen, die länger als einen Produktionszyklus dabei sind – María Ignacia Schulz, Sarah van der Heusen, Christiane Quandt, Douglas Pompeu und ich. Wir sind Übersetzer, Autoren, Literaturwissenschaftler, kurz, wir haben alle etwas mit der Welt der Literatur zu tun. Ich möchte besonders Manu Wolf erwähnen, die für das Layout, die Illustrationen und Website verantwortlich ist und eine ausgezeichnete künstlerische und koordinatorische Arbeit macht. Obwohl sie nicht mehr Mitglied der Redaktion ist, arbeiten wir weiterhin sehr eng mit ihr zusammen. Dann gibt es noch zwei weitere Personen, die gerade ihr Studium beendet haben oder noch ihren Master machen und gerne in die Redaktion eintreten würden. Im Moment lernen sie nach und nach die Arbeit kennen und wir hoffen, dass sie dabei sein können, wenn wir den nächsten Produktionszyklus für die alba12 beginnen. Denn im Moment genehmigen wir uns ein paar Monate Pause, um die Kraft zu sammeln, die man braucht, um solch ein Projekt zu stemmen.

H.: Wird die Zeitschrift nur in der Druckversion herausgebracht oder gibt es auch eine digitale Version?
L.H.: Im Moment bieten wir nur die gedruckte Version an. Alle Ausgaben, von denen noch Exemplare vorhanden sind (alba05 bis alba11), können über unsere Webseite bestellt werden. Für die Zukunft planen wir auch eine digitale Ausgabe, dafür ist aber noch etwas Vorbereitung nötig, vor allem wegen der Urheberrechte. Wir brauchen das explizite Einverständnis der Autorinnen und Autoren, der Illustratorinnen und Illustratoren sowie Übersetzerinnen und Übersetzer zur digitalen Verbreitung ihrer Texte. Man muss dazu sagen, dass sie uns in den meisten Fällen die Rechte großzügigerweise unentgeltlich übertragen. Bei den Agenturen ist es manchmal etwas schwieriger. Trotzdem ist die Bilanz in dieser Hinsicht sehr positiv, weil alba zum Glück breite Akzeptanz und Anerkennung findet.
H.: Wie rentabel ist die Zeitschrift bisher gewesen? Wirkt sich der Inhalt möglicherweise auf die Einnahmen aus?
L.H.: alba.lateinamerika lesen ist ein idealistisches Projekt. Und wir sind uns dessen sehr bewusst. Wenn wir als gemeinnütziger Verein keine zusätzlichen Gelder beantragen müssen, um die Druckkosten oder andere anfallenden Kosten zu decken, sind wir schon glücklich. Dafür hat alba.lateinamerika lesen einen umso größeren immateriellen Wert. Beruflich kann uns alba als Referenz dienen, als eine Möglichkeit, eigene Texte oder Übersetzungen zu veröffentlichen. Außerdem können wir über die Redaktionsarbeit unser Netzwerk ausbauen, denn mit jeder Ausgabe kontaktieren wir weitere Autoren, Übersetzer, Literaturvermittler, Wissenschaftler, Journalisten etc. Und schließlich ist es auch ein emotionaler Gewinn: Nach monatelanger intensiver Arbeit werden wir mit Zufriedenheit, Stolz und Freude belohnt, wenn wir die neue Ausgabe in Händen halten, die jedes Mal ein einzigartiges kollektives Kunstwerk ist.
H.: Hat sich die Änderung des Formats aus eigener Initiative ergeben oder geschah das auf Wunsch der Leser?
L.H.: Es war eigentlich kein Leservorschlag, aber vielleicht haben die Leser uns den Hinweis unbewusst gegeben: Bei den Veranstaltungen, die wir organisiert und bei denen wir alba verkauft haben, fiel uns auf, dass am häufigsten die aktuelle Ausgabe gekauft wird. Für die meisten Zeitschriften stimmt es ja, dass eine Ausgabe nicht mehr aktuell ist, sobald die neue erscheint, aber alba.lateinamerika lesen ist eine Literaturzeitschrift, und Literatur veraltet nicht. Sonst würden wir nicht all die Autoren vergangener Jahrhunderte lesen. Ihre Bücher haben uns auch heutzutage noch etwas zu sagen. Um unseren Lesern diese Botschaft zu vermitteln, haben wir uns für ein Buchformat entschieden. Das heißt, es lohnt sich im Jahr 2018 genauso zum Beispiel eine alba04 zu kaufen und zu lesen wie eine alba11. Obwohl alba ausdrücklich aktuelle Literatur veröffentlicht, verliert die Literatur später nicht ihren Reiz. Mehr noch, in unserer Auswahl tauchen auch „vergessene Stimmen“ auf, die wieder an Aktualität gewonnen haben. In die alba11 haben wir beispielsweise die brasilianische Autorin Hilda Hilst aufgenommen, eine beeindruckende weibliche Stimme der brasilianischen Literatur des vergangenen Jahrhunderts. Außerdem bringt das neue Format den Vorteil, dass es besser ins Bücherregal passt neben die anderen Bücher und auch in die Tasche, so dass man die Zeitschrift mitnehmen und überall lesen kann, in der U-Bahn, im Café, am See etc.
H.: Wer kauft die Zeitschrift? Liebhaber von Lyrik, Prosa oder von den äußerst schwierigen Lyrikübersetzungen?
L.H.: Ich glaube alle der genannten. Das heißt, natürlich gibt es Leser, die sich mehr für Lyrik interessieren und andere, die Erzählliteratur bevorzugen. Im Allgemeinen sind es Menschen, die sich ebenso von der Literatur wie von Lateinamerika angezogen fühlen. Und da es sich um einen sehr vielfältigen Subkontinent handelt, spiegelt die Zeitschrift genau das wider, eine Auswahl von originellen und außergewöhnlichen Texten, wo der Leser sowohl Aspekte erkennen kann, die spezifisch für Lateinamerika sind, als auch universelle, und darüber hinaus die Wahrnehmungen, Perspektiven und den individuellen Stil derjenigen, die die Texte verfasst haben. Was die Übersetzung angeht, möchten wir denjenigen einen Zugang zu den Texten verschaffen, die sonst keinen hätten, weil sie die Originalsprachen nicht beherrschen. Gleichzeitig thematisieren wir die Eigenarten und Herausforderungen der Übersetzung in Interviews und Essays. So dient alba auch als Diskussionsplattform, neben den vielen Beispielen für Übersetzungen, in denen viel Sorgfalt und Hingabe stecken.
H: Wie beschreibt ihr das Profil eurer Zeitschrift?
L.H.: Das wäre in etwa die Zusammenfassung dessen, was ich vorhin erzählt habe: alba.lateinamerika lesen ist eine Auswahl von Texten, von denen wir denken, dass man sie auch hier in Deutschland kennen sollte. Als physisches Objekt bilden sie in ihrer Gestaltung zusammen mit den Illustrationen ein Gesamtkunstwerk, wobei jede Ausgabe einen eigenen Charakter hat. Darüber hinaus bietet die Zeitschrift ein Forum für Diskussionen und interkulturellen Austausch, mit einer Gruppe von Idealisten im Hintergrund, die an die Bedeutung der Literatur glauben und sich innerhalb eines großen Netzwerks von Autoren, Übersetzern etc. bewegen, jenseits von sprachlichen, nationalen oder kontinentalen Grenzen.
H.: Wie kann man die Zeitschrift erwerben? Geht das nur durch ein Abonnement oder gibt es andere Wege?
L.H.: Man kann alba.lateinamerika lesen abonnieren, aber auch eine oder mehrere Ausgaben über unseren Webshop auf httpss://www.albamagazin.de/ kaufen. Wir arbeiten auch mit einigen Buchläden in Berlin zusammen wie Kommedia, Andenbuch, Die gute Seite oder La Escalera, um nur einige zu nennen. Und natürlich bringen wir immer Ausgaben zu den Lesungen mit, die alba organisiert oder zu denen wir mit einem Zeitschriftentisch eingeladen werden. Um über unsere Veranstaltungen zu informieren, versenden wir alle ein bis zwei Monate einen Newsletter, den man mit einer Mail an info@albamagazin.de auch abonnieren kann.
H: Und wie können Sammler an die älteren Ausgaben kommen?
L.H: In unserem Webshop sind alle Ausgaben zu sehen, die bisher erschienen sind. Dort lassen sich die bestellen, die noch lieferbar sind (alba05 bis alba11).
*Laura Haber schloss 2016 den weiterbildenden Master Literarisches Übersetzen an der LMU München ab. Seit Anfang 2017 arbeitet sie als freiberufliche Übersetzerin in Berlin und ist Mitglied der alba-Redaktion. Außerdem koordiniert sie derzeit das Magazin alice der Alice Salomon Hochschule Berlin und ist seit mehreren Jahren Redaktionsmitglied, Autorin und Übersetzerin der Monatszeitschrift Lateinamerika Nachrichten.
Übersetzung:
Amaya Gallegos studierte Philosophie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin. Sie ist Mitglied der alba-Redaktion seit Juni 2018.
Kontakt: amaya.m.gallegos@gmail.com